Feinschliff der Natur
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Er steht da einfach so, auf einem langen Bergrücken mitten im Wald. Die Kiefern treten zurück, als hielten sie respektvoll Abstand zu der mystischen Gestalt. Obendrauf ein kantiger Kopf – wie ein Hammerhai, der sein Maul weit aufreißt. Teufelstisch heißt dieses turmartige Gesteinsgebilde. Der Sage nach ließ Luzifer es einfach stehen. Weil er auf eiliger Durchreise keine Sitzgelegenheit fürs Nachtmahl fand, zimmerte er sich geschwind aus zwei Felsen ein Möbelstück. Solche Pilzfelsen sind typisch für den südlichen Pfälzerwald – aber kein Teufelswerk, sondern Ergebnis langwierigen Zusammenspiels aus Wüste, verfestigtem Sandstein und beharrlicher Erosion. Etwa zwanzig Stück soll es geben. Der Berühmteste, und mit 14 Metern größte, steht in Hinterweidenthal und gilt als landschaftliches Wahrzeichen der Pfalz. 15 Kilometer südwestlich von ihm ragt der Eppenbrunner immerhin elf, samt felsiger Basis sogar dreizehn Meter, auf. Gleich zu Beginn des Premiumwegs Altschlosspfad zweigt ein steiler Pfad links ab und kraxelt als Abstecher siebzig Höhenmeter hinauf. Wie auch beim „großen Bruder“ handelt es sich beim Eppenbrunner Teufelstisch um einen Buntsandsteinfelsen. Die Kräfte der Natur trugen weichere Oberflächen im Laufe der Jahrmillionen ab, nur der harte Kern blieb: eine massive Säule, die als Tischfuß eine tonnenschwere Tischplatte trägt.
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Gleich zu Beginn des Altschlosspfads führt ein kleiner Abstecher nach oben zu diesem Teufelstisch.
Beate Wand
Einsamkeit auf Buntsandstein
Rundliche Waldkuppen mit ihren Längstälern bilden grenzüberschreitend eine geologische Einheit und prägen das Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen. Eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete Mitteleuropas – durchsetzt von wundersamen Felsen. Zwischen den Bäumen ragen kunstvoll geformte Türme und Wände aus rotem Buntsandstein empor. Spannend für die Premiumwege um Pirmasens und in der östlich gelegenen Premium-Wanderregion Dahner Felsenland. Vom Luftkurort Eppenbrunn aus führt der Altschlosspfad zur größten dieser Formationen. Zunächst aber kurvt er ins Märtelbachtal, einen langgestreckten Wiesengrund, wo Moos den Bäumen grüne Söckchen anzieht und den Waldboden am Hang zur Buckelpiste macht. Ein Zipfel Wasgau, so einsam, als läge er am Ende der Welt.
Doch hinter der Brücke über den Märtelbach trottet ein Esel. Seine Begleitung, eine vierköpfige Familie, hat die zwölfjährige, ruhige „Diva“ ausgeliehen, um sich von ihr den Altschlosspfad zeigen zu lassen. Der Eselhof der Haas liegt direkt an dem Wanderweg. Beim Abschied mussten die anderen Esel außer Sichtweite sein, erzählt die Familie. Die Herdentiere lassen ungern ihre Gesellen zurück. Jetzt merkt Diva, dass es zurück zu den anderen geht und will unbedingt weiter. Der Eselhof verleiht seine ausgebildeten Wanderesel auch für mehrere Tage, empfiehlt die passenden Quartiere und hilft beim Planen.
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Wie in der Wüste: Am Altschlossfelsen braucht es viel Zeit, all die filigranen Formen und wunderlichen Kunstwerke der Natur zu bestaunen.
Beate WandFußspuren großer Europäer
Fichtenwurzeln kriechen über den Weg, dazwischen federt der Boden herrlich weich. Bis alte Pflastersteine anzeigen, wo eine alte Römerstraße verlief. Ein paar hundert Meter auf dem Grenzweg nach rechts kerbt sich ein stark verwittertes Relief in einen markanten Sandsteinfelsen. Es zeigt die Jagdgöttin Diana, vermutlich gerahmt von Kriegsgott Mars und Silvanus, dem Gott des Waldes. Ob ein Jäger damit um Dianas Gunst buhlte oder römische Legionäre um Schutz in dieser einsamen Gegend baten, bleibt ungeklärt. Fest steht, dass der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl den nach ihm benannten Wanderweg eingeweiht und öfter beschritten hat. Er wanderte gern durch die Pfalz, etwa mit dem damaligen Mainzer Bischof Karl Lehmann. Auch mit dem französischen Staatspräsidenten François Mitterand und Franz Josef Strauß diskutierte er im Gehen politische Probleme. „Sein“ Wanderweg überquert die Grenze nach Frankreich und läuft geradewegs nach Roppeviller oder Roppweiler. Ein Ort, so abgelegen, dass die Zahl der Einwohner von 587 im Jahre 1844 bis heute auf unter hundert schrumpfte.
Noch stärker als der Helmut-Kohl-Wanderweg drückt ein Ausstellungsstück die deutsch-französische Freundschaft aus. Es steht im Deutschen Schuhmuseum Hauenstein, dem Schuhdorf der Pfalz, das sich zehn Kilometer westlich vom Hinterweidenthaler Teufelstisch in einen Talkessel schmiegt. In einer Vitrine paart sich der linke, schwarze Wanderschuh von Helmut Kohl mit dem rechten Schuhleisten von Charles de Gaulle. Der Leiter des befreundeten Schuhmuseums von Saint André nahe der Schuh-Hochburg Cholet schlug den staatsmännischen Tausch vor, denn der Leistenmacher von General de Gaulle wohnte in dem westfranzösischen Dorf.
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Stimmungsvolle Atmosphäre: Die Abendsonne bringt die Felswand zum Glühen.
Beate WandGrößte Felsgruppe im Pfälzerwald
Auch auf dem Altschlosspfad sind Schuhe omnipräsent: In einem Vorgarten gleich zu Beginn der Wanderung wachsen Sukkulente in ausrangierten Wanderschuhen, kurz vor der Grenze thront ein Wanderschuh an einem urigen Fleckchen einsam auf einem Baumstumpf. Der Grenzstein mit eingeritzter 13 an der Waldkreuzung nach Roppeviller erinnert mit „B“ auf der deutschen Seite daran, dass die Pfalz bis 1946 zu Bayern gehörte. Der Altschlosspfad biegt links, bleibt auf der deutschen Seite und steigt über Felsplatten seinem Highlight entgegen: dem Altschlossfelsen.
„Plitsch, plitsch! An manchen Stellen tropft es. Die Tropflöcher am Boden ähneln den Strukturen im Felsen. Für die nächsten anderthalb Kilometer braucht man Zeit, will man all die Formen betrachten. Wie in einer Galerie reiht Mutter Natur Meisterwerke auf, die Bildhauerin Erosion erschaffen hat: Waben, Mini-Höhlen und Arkadengänge, unter denen Legofiguren gerade aufrecht flanieren könnten. Wo die Hände am rauen Steinsims reiben, rieselt roter Sand ab. Ohne Größenbezug ginge die Wand glatt als Wüstenlandschaft durch. Genau dort liegt ihr Ursprung: Vor rund 250 Millionen Jahren lagerten sich in einer wüstenhaften Ebene Sande ab, die später zu Buntsandstein verfestigt wurden. Unterschiedliche Härten im Gestein und eingelagertes Eisen gaben den Felsen ihre Farben – und liefern bis heute die Schwachstellen, an denen Wind, Wasser und Frost unermüdlich weitermeißeln.
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Galeriegang: ob feine Rillen oder große Bögen. Etwa 1,5 Kilometer zwängt sich der Pfad am Altschlossfelsen entlang und präsentiert unterschiedlichste Farben und Formen.
Beate Wand
Zum Tropfen gesellt sich das Grollen ferner Schüsse – das Militärgelände jenseits der Grenze zerstört die Illusion, durch einsame Wildnis zu laufen. Der Weg schlängelt sich an der Ostseite des Brechenberges leicht abwärts, vorbei an Felsen und bauchigen Säulen, teils sogar überdacht. In ausgespülten Nischen wölbt sich die dicke Felsdecke, am Boden zeichnen sich Fußspuren in den roten, weichen Sand. Neongelbe, grüne und gräuliche Flechten legen farbige Bänder auf den Sandstein. Bis zu dreißig Meter hoch steigen die geschwungenen Wände auf. Sie strahlen Kühle ab. Doch wenn tiefstehende Sonnenstrahlen auftreffen, glühen sie in wärmstem Orange.
Am besten kommt dies in der ersten Aprilhälfte zur Geltung, wenn die Bäume noch kein Laub tragen. Am östlichen Eckpfeiler des Sandsteinriffs dringt Licht durch einen Felsspalt und „entflammt“ die Felswand dahinter. Weil auf den vier Haupttürmen an diesem Ende Spuren auf eine mittelalterliche Burg mit Zisterne hindeuten, wird der Altschlossfelsen auch Eppenbrunner Schloss genannt. Funde belegen, dass schon zu Hallstatt- und Römerzeiten Menschen an diesem Natur- und Kulturdenkmal lebten. Zum Abstieg serviert die Natur einen Nachschlag: den Hohlen Felsen. Im Abendlicht glimmt er höllisch. Ein Spalt führt nicht in die Unterwelt, sondern zur Rückseite, wo eine kurze Kletterei den Blick auf Eppenbrunn freigibt. Noch ein paar Jahrmillionen – und Luzifer hätte auch hier seinen Tisch.
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Eine Familie erwandert den Altschlosspfad in Begleitung der wanderaffinen Eselin Diva. Sie genießt die Ausflüge, freut sich aber auch schon auf ihre Herde am Hof von Familie Haas.
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Wandern
PREMIUMWANDERN
Von den acht Premiumwegen der Verbandsgemeinde Pirmasens Land drehen sich drei um Eppenbrunn. Neben dem gut zehn Kilometer langen Altschlosspfad (160 hm) sind das der gut elf Kilometer lange Grenzweg (250 hm) und die knapp 14 Kilometer lange Eulenfels-Tour (210 hm). Der Grenzweg teilt sich mit dem Altschlosspfad den Abschnitt am Altschlossfelsen. Er beginnt am Wanderparkplatz Spießweiher und läuft an mehreren Weihern vorbei zur deutsch-französischen Grenze. Über den Staffelskopf und historische Grenzsteine erreicht er das Naturdenkmal aus Buntsandstein.
Die Eulenfels-Tour beginnt am Parkplatz beim Eppenbrunner Freizeitpark und steigt über den kleinen Teufelstisch zum aussichtsreichen Sandsteinriff Eulenfelsen. Nach einer Rast im Pfälzerwaldverein-Wanderheim Hohe-List geht es bergab über den Christkindlfelsen zurück nach Eppenbrunn.
pirmasens-land.de, wanderarena.com
HELMUT-KOHL-WEG
Seit 2002 gibt es einen Helmut-Kohl-Wanderweg in Eppenbrunn (gut 10 km). Vom Spießweiher läuft auch dieser Rundweg am Altschlossfelsen vorbei, macht aber einen Abstecher ins lothringische Roppweiler bzw. Roppeviller, das ebenfalls im grenzübergreifenden Biosphärenreservat Pfälzerwald-Nordvogesen liegt. Der frühere Bundeskanzler weihte ihn persönlich ein und soll ihn auch privat öfter und gern gegangen sein. Vielleicht wegen des für seine einfache, aber gute Küche gelobten Café Lorrain: Facebook oder Tel. +33 3 87 96 59 73