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Lesedauer 6 Min.

Gib mir Wald!

Das japanische Wort „Shinrin Yoku“ bedeutet übersetzt „ein Bad in der Atmosphäre des Waldes nehmen“. Neben Entschleunigung ist ein bewusstes Wahrnehmen des Waldes elementar für dessen Wertschätzung. Ich bin mit unserer Waldbaden-Expertin Annette Bernjus im Taunus in den Wald eingetaucht.
Drohnenblick auf das Schloss Allstedt
© Daniel Elke
Annette Bernjus empfängt mich freudestrahlend an der Tür ihres beschaulichen Fachwerkhauses in Lorsbach, einem Ortsteil von Hofheim im Naturpark Hochtaunus. Hier gibt sie in „ihrem Wald“ Kurse zum Waldbaden. Dass sie den Wald liebevoll ihren Wald nennt, ist durchaus nachvollziehbar, denn in dessen unmittelbarer Nähe ist sie aufgewachsen, und niemand kennt die Waldgebiete hier so gut wie sie. Heute will ich herausfinden, was es mit dem Phänomen Waldbaden auf sich hat. So viel vorab: Wirklich neu ist die Idee nicht. Das japanische Ministerium für Landwirtschaft, Forsten und Fischerei prägte den Begriff „Shinrin Yoku“ bereits 1982. Waldtherapie und Waldmedizin sind seitdem dort und in Südkorea feste Be standteile der Gesundheitsvorsorge. Auch in den USA nähert man sich dem Wald wissenschaftlich. Ergebnis: Waldaufenthalte senken den Blutdruck, regulieren den Puls und reduzieren die Stresshormone. In Deutschland ist Annette Pionierin und Expertin zugleich. Sie zeigt uns den kurzen Weg von ihrem Haus durch das Dorf bis hin zu einem kleinen Pfad, der leicht ansteigt und direkt in den Wald führt. Nach einer Biegung ist mit einem Schlag nichts mehr zu hören außer zwitschernden Vögeln und dem Rauschen des Windes, der mit großen Streichen in die Baumwipfel greift.
Blick auf eine Brücke aus dem 20. Jahrhundert
Aus kleinen Dingen lernen, um größere Zusammenhänge zu ver stehen. Oder auch nur feststellen: Junge Buchenblätter schmecken gar nicht so schlecht. © Daniel Elke

Eine Regel: Keine Regeln

An einer kleinen Weggabelung bleiben wir stehen. An nette fragt, was Wald für mich bedeutet – in einem Wort. Gar nicht so einfach. Mir fällt spontan das Wort „Sehn sucht“ ein, kurz darauf überlege ich bereits, ob es das auch tatsächlich trifft. „Für viele ist es gar nicht selbstverständlich, in den Wald zu gehen – entweder, weil sie Ängste haben oder weil es sie langweilt, Bäume anzuschauen“, sagt Annette. „Unter Waldbaden kann man vieles verstehen. Mir ist es letztlich wichtig, dass die Menschen Zeit im Wald verbringen. Ich setze Impulse, lade die Teilnehmer zu Atemübungen oder bestimmten Themen ein. Wenn jemand etwas nicht machen möchte, bedarf das keiner Erklärung.“ Wann immer Annette etwas beschreibt, wird es von ihrem verschmitzten Lächeln begleitet. Bewusste Wahrnehmung, Entschleunigung, kein Ziel verfolgen, sich gemächlich bewegen mit vielen Pausen, die Waldatmosphäre aufsaugen, lauschen, riechen, schmecken, sehen, fühlen – all das sind Stichworte, die Annette nennt. Wie es die Teilnehmer umsetzen, bleibt ihnen überlas sen. Das lässt viel Spielraum, funktioniert aber, wie wir später feststellen. Dass das Waldbaden nicht jedem leicht fällt, ist ihr bewusst. „Man muss sich zu einem Teil schon darauf einlassen können“, erklärt sie. „Manche Leute verfallen auch in Panik, wenn ich ihnen sage, dass es hier im Wald zu Funklöchern kommen kann.“ Für uns geht es weiter über weichen Waldboden. Es ist kühl, und die frische Waldluft nehme ich ganz besonders wahr. Das Waldstück, durch das wir nun gehen, heißt „Im Gründenhang“. Hier stehen hauptsächlich Buchen, vereinzelt auch einige Eichen. „Des halb mag ich dieses Waldstück besonders gern“, erzählt Annette. „Der Wald in Deutschland würde – hätte der Mensch nie eingegriffen – hauptsächlich aus Buchen bestehen“, sagt sie und erklärt: „Heute ist nur noch ein Drittel der Fläche Deutschlands mit Wald bedeckt, und davon sind knapp 15 Prozent Buchenwälder. Die Buchen werden übrigens auch als ‚Mütter des Waldes‘ bezeichnet, da sie ihre Nachkommen mit Nährstoffen versorgen.“ Annette zeigt uns an einem Hang einige der kleinen Buchen, die von ihren „Müttern“ umringt werden. Eine glückliche Baumfamilie.

 

Zwei Wanderer auf einem Wanderweg im Grünen

"Die Waldluft aktiviert unsere 52 natürlichen Killerzellen. Das ist spannender als jeder Krimi."

© shutterstock

Bewusste Entschleunigung

Der Waldaufenthalt mit Annette ist nicht nur entspannend, sondern auch interessant. Wenn man sie fragt, weiß sie zu je dem Pflänzchen etwas zu berichten. Nach kurzer Zeit folgt ei ne kleine meditative Übung. Bei der beruhigenden Stimme der gelernten Meditationslehrerin fällt es – begleitet von Vogelgezwitscher – nicht schwer, sich mit geschlossenen Augen vorzustellen, wie wir selbst Wurzeln schlagen und uns mit denen der Bäume verbinden. Diese Übungen dauern nicht lange, erzielen aber ihre Wirkung. Tiefenentspannt gehen wir weiter. An einem moosbewachsenen Hang bleiben wir stehen. „Hier gibt es viele Moose und Farne. Die Luft ist sehr aromatisch, und die ätherischen Öle wirken sich positiv auf unseren Körper aus“, erklärt Annette. Mit der Hand streichen wir über die Moosflächen. Der typische Moosgeruch ist hier besonders gut wahrnehmbar. Jeder von uns nimmt einen tiefen Zug davon. Für Annette ist es fast eine Art Passion, den Teilnehmern das Genießen des Waldes nahezubringen. Es ist ein Teil ihres Versuchs, den Menschen eine Alternative zu ihrem stressigen Alltag zu bieten – in aller Entspanntheit. Dazu gehört auch das Entdecken von Kleinigkeiten, wie Pilzkolonien auf umgestürzten Baumstämmen, an denen man sonst vorbeiläuft. An einem kleinen Fluss, der sich plätschernd durch den Wald schlängelt, bleiben wir stehen. „Es ist wie der Lebensweg“, meint Annette. „Nach unruhigen Momenten kommt auch wieder seichtes Gewässer.“ Es sind ein fache Formeln, die im Zusammenspiel mit der Natur an Bedeutung gewinnen. „Das ist der Bach meiner Kindheit“, sagt sie und ergänzt lachend: „Hier habe ich früher immer Stau dämme gebaut.“
Eine Höhle mit einem Unterwassersee

Den kleinen Dingen Beachtung schenken und sich beim Wandern bewusst Zeit nehmen die Schönheit am Wegesrand zu entdecken. 

© Standortentwicklungsgesellschaft Mansfeld-Südharz mbH

Wenn du krank bist, such einen Arzt auf

Während wir an einer Gruppe Birken entlanggehen, erzählt Annette etwas über das Kommunikationssystem der Pflanzen: „Pflanzen kommunizieren über sogenannte Terpene – chemische Substanzen, die bestimmte Informationen enthalten und von anderen Pflanzen entschlüsselt werden können. So können befallene Pflanzen andere warnen. Die Empfängerpflanze kann dann Abwehrstoffe bilden oder sogar Feinde der Schädlinge anlocken.“ Doch es bleibt nicht bei der Pflanzenkommunikation: „Beim Waldbaden trifft das kommunizierende Immunsystem der Pflanzen auf das des Menschen. Viele Terpene nehmen wir über die Haut oder beim Einatmen auf, und unser Immunsystem kann sie entschlüsseln.“ Was das bewirkt? „Die Waldluft aktiviert unsere natürlichen Killerzellen. Das ist spannender als jeder Krimi“, sagt Annette mit leuchtenden Augen. „Und ich habe wirklich viele Krimis gelesen. Präventiv ist das Waldbaden eine wunderbare Sache.“ Dann wird sie ernst: „Wenn du allerdings krank bist, such einen Arzt auf!“ Als Allheilmittel will sie das Waldbaden nicht verstanden wissen. Zwei Stunden sind wir durch ihren Wald gestreift. Und ich habe das Gefühl, dass es stundenlang so weitergehen könnte. Vollgesogen mit gesunder Waldluft treten wir den Rückweg an. Es war äußerst entspannend, auch etwas gesund, und wenn ich dabei ein wenig mit den Pflanzen kommuniziert haben sollte – wunderbar.

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Eine Höhle mit einem Unterwassersee

Alltagsstress für einen Moment hinter sich lassen und Energie tanken. Der Wald ist der perfekte Ort dafür. 

© shutterstock

Wandern

Rund um Lorsbach

Lorsbach liegt im Naturpark Hochtaunus in der sogenannten Nassauischen Schweiz. Drei Naturparkwege umrunden Lorsbach. Sie beginnen alle an der Wandertafel in der Talstraße 1 gegenüber dem Gemeindezentrum. „Rundweg Gundelhard“ mit der Markierung Wildschwein (8,2 Kilometer). „Historischer Rundweg“ mit dem Ringwall Altenburg und vorbei am Aussichtsturm mit Blick ins Tal (Markierung Eichhörnchen, 4,5 Kilometer). „Rundweg Melibokusblick“ mit Markierung roter Hirsch, Ausblick in die Rhein Main-Ebene, den Melibokus im Odenwald, und auf den großen Feldberg (5,1 Kilometer).

Waldbaden mit Annette


Für Interessierte gibt es zahlreiche Informationen zum Thema Waldbaden auf der Website von Waldbaden-Profi Annette Bernjus. Auch ihre Kurse lassen sich hier buchen.
waldbaden.com

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