Miethuhn statt faules Ei

Hühnereier sind zuletzt stark in Verruf geraten: Erschreckende Bilder von Tieren in Massenhaltung ließen den Umsatz sinken. Einige Unternehmen bieten nun Hühnerpatenschaften an. Das Schöne daran: Von der neuen Alternative profitieren Huhn, Halter und Konsument.

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© pa/S. Kiewitz-Seemann

Text: Christian Riedel

Ich wollt’, ich wär’ ein Huhn, ich hätt’ nicht viel zu tun“ – leider ist ein Hühnerleben längst nicht mehr so beschaulich, wie es das schöne alte Lied der Comedian Harmonists besingt. Wobei ein Huhn schon Höchstleistungen vollbringt, wenn es jeden Tag ein Ei legen­ muss. Von zweien am Sonntag ganz zu schweigen.

Sofern es sich nicht um entsprechend gezüchtete Tiere handelt, legt ein Huhn in der Woche drei bis vier Eier. Aber auch sonst zeigt sich ein Hühnerleben für den Großteil der Tiere nicht von der Sonnenseite – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn viel zu oft vegetieren sie eingepfercht in Lege­batterien oder viel zu engen Ställen ohne jedes Sonnenlicht, picken chemisches Futter und lassen Anti­biotika-Behandlungen über sich ergehen. Kein Wunder, wenn viele Tiere gestresst und krank sind – und das Eigelb blässlich statt leuchtend orange.

Garantiert: elf Eier pro Monat

Wer gute, gesunde Eier für sich und seine Familie haben möchte, wird in den heimischen Supermärkten selten fündig. Auch wenn auf der Packung „freilaufend“ steht, bleibt die wahre Herkunft im Verborgenen. Und ein Bauernhof in der Nachbarschaft, auf dem man die freilebenden Hühner selbst besichtigen kann, bleibt allen­falls der Landbevölkerung vorbehalten. Wer aber möchte schon komplett auf das gesunde Frühstücksei verzichten?

Eine Alternative bietet Dominik Eckert. Er betreibt die Seite www.myluckyei.de. Hier kann jeder die Patenschaft für ein Huhn oder einen Hahn übernehmen. Für knapp 12 Euro im Monat werden ganz normale Menschen plötzlich stolze Hühner­paten und bekommen dafür auch noch monatlich elf Eier von garantiert glücklichen und freilaufenden Hühnern zugeschickt. Aktuell leben die Tiere auf fünf Höfen, alle in der Oberpfalz gelegen. Wer möchte, kann jederzeit vorbeifahren und sein Federvieh besuchen. Alternativ gibt es Webcams, die Livebilder von den Höfen­ übertragen. So kann jeder sehen, unter welchen Bedingungen die Tiere leben.

„Ich komme vom Land, musste dann beruflich mehrere Jahre in die Stadt. Wenn man in der Stadt lebt, merkt man erst, wie großartig es da draußen ist“, erzählt Dominik Eckert. „Dazu zählen auch die Hühner, die wir früher hatten. In der Stadt gibt es ja kaum eine Möglichkeit, Hühner zu halten, weil schlicht der Platz fehlt.“ Später übernahm er den Hof seines Großvaters, und schnell reifte die Idee, interessierten Menschen die Möglichkeit einer Hühnerpatenschaft zu geben. „Damit sie wissen, woher ihre Eier stammen und wie man Hühner ohne überdimensionierte Mühen artgerecht halten kann.“

Rente gleich mitfinanziert

Auf Eckerts Höfen führen die Tiere ein entspanntes Leben. In jedem Stall wohnen rund 30 Hühner auf einem großzügig angelegten Gelände­ mit unterschiedlichen Flächen, damit sie sich wohlfühlen. Reich werden Eckert und sein Partner von den Patenschaften aber nicht. „Das Geld kommt weitestgehend den Tieren zugute. Damit bezahlen wir die Lebenshaltungskosten und die Infrastruktur inklusive Webcams. Weiter müssen wir von dem Patengeld auch die Versandkosten für die Eier ab­ziehen“, konstatiert der Hühnerfreund Eckert. Wirklich Profit machen die beiden damit also nicht – „aber darum geht es uns auch gar nicht.“

Insgesamt konnten werdende ­Patinnen und Paten aus rund 100 Tieren das Lieblingshuhn auswählen – oder den Lieblingshahn. Denn auch Hahn-Paten bekommen die elf Bio-Eier im Monat zugeschickt. Wer heute selbst ein Tier unter seine Fittiche nehmen will, muss schnell sein. Denn Hühnerpatenschaften kommen an. Von den hundert Tieren haben fast alle einen Paten gefunden.

„Mittlerweile sind durchschnittlich zwischen fünf und zehn Hühner frei“, erklärt­ Dominik Eckert. Die Patenschaft wird monatlich übernommen und kann jederzeit gekündigt werden. Hier unterscheidet sich das Verhalten der Tierfreunde stark. „Einige Paten bekommen von Freunden ihr Huhn für einen oder zwei Monate geschenkt. Danach ist die Paten­schaft wieder beendet“, so Eckert. „Andere gehen eine dauerhafte Verbindung ein, bis das Huhn eines natürlichen Todes stirbt.“

Eine Garantie, dass man nur die Eier vom eigenen Paten­tier bekommt, gibt es dagegen nicht. Das würde in der Praxis einfach nicht funktionieren. „Ein normales Huhn legt pro Woche drei bis vier Eier“, erklärt Eckert. „Es würde natürlich keinen Sinn machen, zu warten, bis ein Huhn elf Eier gelegt hat, und die Ausbeute dann erst zum Paten zu schicken.“ Nur eines steht eben fest: Alle Eier stammen von glücklichen Hühnern.

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Werte verstehen und leben: Eine Miethuhnpatenschaft – auch über große Distanzen möglich – tut Züchter, Konsument und Huhn gut.
© IMAGO/Westend61

Das Miethuhn-Mietzuhause

Einen Schritt weiter geht Michael Lüft aus Seligenstadt. In einem Umkreis von rund 50 Kilometern um den Ort, der zwischen Frankfurt und Aschaffenburg liegt, bietet Lüft nicht nur die Eier von frei laufenden Hühnern an: Er liefert Huhn und Stall gleich mit dazu! Genauer gesagt, man kann sich bei ihm einen Stall mitsamt den fünf darin lebenden Hühnern mieten und im eigenen Garten aufbauen. Wer will, bekommt­ auch einen Zaun dazu, damit die Hühner nicht verloren gehen. Die Eier, die die Tiere während der Mietzeit legen, darf man natürlich behalten.

„Vor rund zwei Jahren kam ein Opa mit seinem Enkel zu uns zu Besuch“, erinnert sich Lüft. „Bei dem Besuch haben wir festgestellt, dass viele Kinder heutzutage überhaupt keinen Bezug mehr zu den Tieren haben.“ Mehr aus Spaß hätte er dem Jungen versprochen, ihm in der nächsten Woche fünf Hühner vorbeizubringen, damit er sieht, was für eine Arbeit das ist, „bis hinten so ein kleines Ei herauskommt“. Der Junge war begeistert – und abends rief der Vater an, um zu fragen, wann die Hühner angeliefert würden. „Für mich war das eigent­lich nur ein Spaß, aber die Familie war so begeistert und hatte auch den Platz im Garten, dass wir es tatsächlich gemacht haben“, erklärt Michael Lüft schmunzelnd.

Nach rund zwei Jahren hat der anfängliche Hobbyhühnerhalter schon zehn mobile­ Hühnerhäuschen, oft mehrere Monate­ im Voraus vermietet. Der Hühnerwirt lädt Haus mitsamt Streu, Wasserautomat und Futterautomat, Tieren und bei Bedarf auch noch den Zaun auf seinen Anhänger und fährt das mobile Hühnerhaus zu den Kunden. „Dort überzeuge ich mich grundsätzlich, ob die Tiere artgerecht gehalten werden können“, sagt Lüft. Seien die Bedingungen nicht zufrieden­stellend, würde er nicht lange zögern und mitsamt dem Hühner­stall wieder nach Hause fahren.

Klappt alles, so läuft die Miete über mindestens eine Woche und kostet inklusive Fahrtkosten und Futter rund 50 Euro, mit Zaun knapp 90 Euro pro Woche, wobei jede weitere Woche günstiger ist. Da die Tiere dank Futter- und Wasser­automat kaum Betreuung benötigen, kann man sich auch ohne Vorkenntnisse einen solchen Stall mieten. Auch für die Hühner sind die häufigen Umzüge kein Problem. Das sagt zumindest Michael Lüft, der auf rund zwei Jahre Hühner­vermie­tung zurückblickt und in dieser Zeit keine Krankenfälle unter seinen Feder­freunden verzeichnet hat.

www.myluckyei.de

www.hühnerhof-lüft.de

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Dieser Artikel ist aus der Ausgabe: wanderlust Nr. 06 / 2015

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