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Lesedauer 8 Min.

Geotopen auf der Spur

Tausende Höhlen, Vulkane, leuchtend türkisfarbene Quelltöpfe, Wasserfälle und filigrane Kalktuff­terrassen – allesamt geologische Schätze der Schwäbischen Alb. Mit jedem Schritt wird die Erdgeschichte greifbarer. Unsere Autorin stellt neun Geotope im Uhrzeigersinn vor, die bei Wanderungen entdeckt werden können.
Schwäbische Alb
© Ralph Scheer

Zwei junge Affenmännchen kämpfen miteinander, sie fletschen die Zähne und fauchen drohend. Der Sieger wird den höheren Rang in der Berberaffengruppe einnehmen. Unbeeindruckt von dem maskulinen Hierarchiegerangel säugen die Weibchen ihre neugeborenen Jungen. Was wie eine Szene aus den Gebirgsregionen Marokkos erscheint, könnte sich ebenso gut auf der Schwäbischen Alb abgespielt ­haben. In der letzten Eiszeit lebten hier Affen, wie steinerne Knochenfunde beweisen. Eine Sensation!

Die Geschichte der Schwäbischen Alb geht jedoch noch viel weiter zurück, in die Ära der Dinosaurier, als Ichthyosaurier und Flugsaurier das Meer und die Lüfte beherrschten. In jener Zeit nahm das Mittel­gebirge, wie wir es heute kennen, seinen Anfang. Vor 200 bis 142 Millionen Jahren in der Jurazeit war ­Europa von einem tropischen Flachmeer bedeckt.

Es sollten noch viele Millionen Jahre vergehen, bis aus den Sedimenten am Meeresgrund wie Ton, Kalk und Mergel die Gesteine der Schwäbischen Alb entstanden.

Als die kontinentalen Platten Eurasiens und Afrikas aufeinander zudrifteten und sich die Alpen auffalteten, hob sich auch das Gebiet der Schwäbischen Alb, wurde Festland und gleichzeitig zerklüftet. „Aus diesen Schwächezonen konnte später Magma aus großer Tiefe aufsteigen – 360 Vulkanschlote des Schwäbischen Vulkans sind bekannt“, erklärt der Geologieexperte Reiner Enkelmann. Besonders gut sichtbar sind die vulkanischen Aktivitäten rund um Bad Urach und Kirchheim unter Teck. Kein Wunder, dass Wandern auf der Schwäbischen Alb immer wieder ein Abenteuer ist.

Blick auf eine Brücke aus dem 20. Jahrhundert

Der Calverbühl ist ein Vulkanschlot des „Schwäbischen Vulkans“ und der Hausberg der Ge­meinde Dettingen.

© Ralph Scheer

Vulkanschlot Calverbühl

Die Wanderreise durch die Erdgeschichte beginnt östlich von Reutlingen. In Dettingen an der Erms kann ein rund 15 bis 17 Millionen Jahre alter Vulkanschlot erklommen werden: der Calverbühl, der sich bis auf eine Höhe von 509 Metern erhebt. Weithin sichtbar ist seine Kuppe aus basaltähnlichem Gestein. Gekrönt ist der Vulkan mit einer Linde und ­einer Gipfelbank. Ein perfekter Ort, um die Aussicht über das Ermstal bis nach Stuttgart zu genießen.

Die Besonderheit dieses Ortes ist, dass der Kompass ­verrückt spielt, was durch das hier vorkommende ­eisenhaltige Magnetit im Vulkantuff verursacht und durch Blitzschläge verstärkt wird, sagt Enkelmann. Die Vulkanbesteigung lässt sich gut mit einer ­Wanderung zu den Dettinger Höllenlöchern kom­binieren.

 

Zwei Wanderer auf einem Wanderweg im Grünen

Über zwei Stahlleitern ­können Wandersleute in den Schlund der Dettinger Höllenlöcher klettern.

© Ralph Scheer

Dettinger Höllenlöcher

Über Wanderwege im lichten Schatten des Buchenwaldes und zwei Metallleitern können Wandersleute die mächtigen Felsspalten erreichen. Die Höllenlöcher sind Abrissklüfte im Traufbereich bei Dettingen an der Erms, die sich vom Albkörper gelöst haben. Langsam gleiten sie zu Tal, denn „brauner Jura ist wie Schmierseife“, erklärt Enkelmann und fügt hinzu: „Irgendwann kommt es dann zu einem Bergrutsch oder Bergsturz, das ist ganz ­normal.“ Bis zu 100 Meter lang und 30 Meter tief ist der Fels­einschnitt, in den man hinabsteigen kann. Für weniger Tritt­sichere führt ein Weg oberhalb des Höllenschlunds entlang. Nach einem kurzen Aufstieg wartet der 777 Meter hohe Sonnenfelsen mit einem tollen Ausblick.

Eine Höhle mit einem Unterwassersee

37 Meter im freien Fall stürzt der Uracher Wasserfall über seine „selbst gebaute“ Nase aus Kalksinter.

© shutterstock

Uracher Wasserfälle

Etwa fünf Kilometer entfernt stürzt sich rauschend das Wasser des Brühlbachs aus einer Höhe von 37 Metern im freien Fall über die Tuffsteinnase, sprüht seine Gischt über die Besucher und nimmt ungestüm auch die Treppenstufen ein. Darunter zeigt der Wasserfall sein lieblicheres Gesicht und plätschert weitere 50 Meter mit sanfteren Gefällstufen über die bemoosten Kalktuff­polster. Oberhalb des Wasserfalls entspringt der Brühlbach einer Karstquelle, die aus Steinen gelösten Kalk enthält. Bei Luftkontakt wird dieser frei, setzt sich ab und baut langsam die Sinter­nase des Wasserfalls und die Tuffschichten auf. „Hier entsteht ­aktuell das jüngste Gestein der Alb“, erklärt Iris Bohnacker, Geologin des UNESCO Global Geoparks Schwäbische Alb. In dem ­besonderen Mikroklima finden feuchtigkeitsliebende Tiere wie der Feuersalamander einen wertvollen Lebensraum. Ein Wandertipp ist der „Wasserfallsteig“, der noch zu einem zweiten Wasserfall und einem Aussichtsfelsen führt (10 km, 511 Höhenmeter, rund 3,5 Stunden). Dieses fragile Naturwunder gilt es zu schützen, deshalb dürfen die Wege nicht verlassen werden. 

Eine Höhle mit einem Unterwassersee

Unsere Autorin erkundet die Falkensteiner Höhle.

© Ralf Scheer

Falkensteiner Höhle

Wild, dunkel und nass präsentiert sich die Falkensteiner Höhle zwischen Grabenstetten und Bad Urach. Sie ist eine aktive Wasserhöhle und Geburtsstätte der Elsach, die hier entspringt. Regen sickert durch den Karst der Alboberfläche und sammelt sich in den Tiefen der Höhle. Die ersten 20 Meter können bei trockenem Wetter auf eigene Faust „befahren“ werden. Wer weiter vordringen will, benötigt für die Höhlentour durch Wasserläufe, enge Gänge und beeindruckende Felsformationen einen Guide sowie Neoprenanzug, Helm und Taschenlampe. Höhlensaison ist vom 1. April bis zum 30. September. Das restliche Jahr ist die Höhle das Reich der Fledermäuse, die bei ihrem Winterschlaf nicht gestört werden dürfen. 

 

Gutenberger Sinterterrassen

Um außergewöhnliche Kalkbecken zu entdecken, muss man nicht in die Türkei zu den Sinterterrassen von Pamukkale reisen. In klein zieren sie auch die Schwäbische Alb. An den Stufen der Weißen Lauter in Gutenberg bildeten sie aus Kalktuff Becken, über die das Wasser rauscht. Wie alle Sinterstrukturen sind sie zerbrechlich und dürfen nicht betreten werden. Sind sie zerstört, dauert es viele Jahre, bis sie erneut zu alter Schönheit heranwachsen. Das Naturschauspiel befindet sich am Ortsausgang von Gutenberg. Es lohnt sich, noch bis zur Mündung des Donnbachs zu spazieren, wo es weitere Kalkformationen gibt. 

Eine Höhle mit einem Unterwassersee

Affenknochen machten die Gutenberger Höhle berühmt.

© Ralf Scheer

Gutenberger Höhle

Anstelle der erhofften Menschenknochen fand der Pfarrer und Höhlenforscher Karl Gussmann 1889 in der Gutenberger Höhle Tierknochen aus dem Pleistozän, der Zwischeneiszeit. Darunter waren Bären, Höhlenlöwen, Nashörner und Alpenwölfe. „Die eigentliche Sensation war der Affenknochen“, berichtet der Höhlen­führer Siegfried Guggenberger. Es sind die einzigen derartigen Funde in Deutschland. Die Kieferstücke des Berberaffen waren „einer der ersten Beweise, dass es hier mal tropisch war“, sagt er. Man schätzt ihr Alter auf mindestens 120 000 Jahre. Die Höhle selbst ist eine ältere, ­bereits trockengefallene Klufthöhle mit imposantem Tropfsteinschmuck. Mehrere Wanderungen führen zur Höhle, die von Mai bis Oktober im Rahmen von Führungen besichtigt werden kann. 

Eine Höhle mit einem Unterwassersee

Sein intensives Blau macht den Blautopf in Blaubeuren zu einem der beliebtesten Ausflugsziele der Schwäbischen Alb. 

© Ralph Scheer

Blautopf Blaubeuren

Der Blautopf ist das märchenhafteste Geotop. Wie ein leuchtendes Auge zieht einen die in Blautönen changierende Karstquelle magisch an. Er ist 22 Meter tief, neun Grad kühl und wird durch Regenfälle gespeist, die Tage zuvor im durchlässigen Karstgestein versickerten. Dieses Phänomen erklärt auch die intensive Farbe. Wenn Lichtstrahlen ins Wasser eintauchen, werden alle Farben bis auf Blau verschluckt; Blau wird reflektiert – verstärkt durch die millionenfache Brechung an den Kalkpartikeln im Wasser. Der Blautopf zählt zu den „Nationalen Geotopen“, den geowissenschaftlich und landschaftlich bedeutendsten Punkten Deutschlands. Derzeit wird das Areal saniert, über zwei Hilfsbrücken ist der Blautopf dennoch zugänglich. Wandertipp: „Blaubeurer Felsenstieg“ (10,4 km, 440 Höhenmeter, 3,5 Stunden).

Eine Höhle mit einem Unterwassersee

Die Wimsener Höhle kann mit dem Boot befahren werden.

© Ralph Scheer

Wimsener Höhle

Kopf einziehen! Wenn die Höhlenführerin den Kahn über das kristallklare Wasser lenkt, kommt die Höhlen­decke bedrohlich nah. Die Wimsener Höhle ist eine der bekanntesten Schauhöhlen der Alb und die einzige ­Höhle Deutschlands, die nur mit einem Boot besichtigt werden kann. Spannung in der Höhle und Idylle außerhalb: Ein Besuch der Unterwelt kann mit einer Wanderung im Glastal verbunden werden: zum Beispiel mit der Tour „hochgehschätzt“ (9,2 km, 133 Höhenmeter, rund 3 Stunden).

Eine Höhle mit einem Unterwassersee

Blick vom Eichfelsen über das Tal der Oberen ­Donau und auf Schloss ­Werenwag.

© shutterstock

Oberes Donautal

Wie der Blautopf ist auch der Donaudurchbruch bei Beuron im Oberen Donautal eines der „Nationalen Geotope“ im UNESCO-Geopark Schwäbische Alb. Zwischen Fridingen und Sigmaringen durchbricht die Junge Donau den Albkörper und mäandert durch das Tal. Schroff und steil ragen Felsen auf beiden Seiten empor. Ein Traum für Wanderfans ist die Tour „Eichfelsen-Panorama“ (10,4 km, 440 Höhenmeter, 3,5 Stunden). Und für alle, die in Siebenmeilenstiefeln unterwegs sind, geht es in vier Tagesetappen durch den Naturpark Obere Donau auf dem Donau­berglandweg (59 km, 1700 m Aufstieg, 2000 m Abstieg, 18 Stunden).

Entdecken und genießen

Entdecken, staunen, schützen. 

Geotope erzählen von der Entstehung der Erde und ihrer Geschichte. Bei Wanderungen in der einmaligen ­Karstlandschaft der Schwäbischen 

Alb können einige der faszinierenden ­Zeugen aus Stein aus nächster Nähe erkundet werden. 

 

Linsen, Spätzle und andere Genüsse

Ob Linsen mit handgemachten Spätzle, Lamm von der Wacholderheide oder knusprige Bauernbrote aus dem ­traditionellen Backhaus – auf der Schwäbischen Alb gibt es auch in den Gasthöfen und Restaurants viel zu ­entdecken und zu probieren. Wie wäre es mit den berühmten „Alb-Leisa“, wie die Linsen von Einheimischen genannt werden? Lange Zeit aus der Region verschwunden, feiern die kleinen ­Proteinbomben seit einigen Jahren ein kulinarisches Comeback. 

Spannend zu wissen

Karstgebiet

So faszinierend die Schwäbische Alb auf der Oberfläche ist, es lohnt sich auch, einen Blick hinter, oder besser unter die Kulissen zu werfen. Über 2800 Höhlen sind auf der Alb dokumentiert. Die höhlenreiche ­Region 

ist ein Karstgebiet, löchrig wie ein Schweizer Käse. Das von ­Natur aus saure Regenwasser löst den Kalk in den Felsen auf, wobei ­Risse, Spalten und schließlich im Lauf von Jahr­tausenden Höhlen entstanden und weiter entstehen. Wasser durchströmt die ­Höhlen, es versickert und tritt an ­anderer Stelle wieder zutage. 

 

UNESCO Global Geopark Schwäbische Alb

Seit zehn Jahren gibt es den UNESCO Global Geopark Schwäbische Alb – einer der 213 UNESCO Global Geoparks in 48 Nationen. Allen gemein ist das international bedeutende geowissenschaftliche Erbe. Sie verbinden Geologie, Bildung und nachhaltige Regionalentwicklung. Das Gebiet der Schwäbischen Alb umfasst 6200 Quadratkilometer in zehn Landkreisen. 

40 Geopoints, die die erdgeschicht­lichen Besonderheiten näherbringen sollen, und 28 Infostellen gibt es 

hier bereits. 

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