Im Kurvenreich
Die Schlögener Schlinge
Von der Aussichtsplattform sackt der Blick in eine Nebelwand. Ein Schiff tutet weit unten. Lässt ahnen: da ist noch was. Mahnt, nicht gleich umzukehren. Hangaufwärts kämpft sich die Sonne durch. In ihren Strahlenbündeln tänzelt Dunst. Moosbegrünte Felsbrocken leuchten. Auch vorne lichtet es sich. Urplötzlich hebt sich der Vorhang, gibt die Naturbühne frei: Die Donau strömt auf den Schlögener Blick zu. Innerhalb weniger Meter dreht sie um 180 Grad, fließt wieder zurück, macht nochmal die Biege. Die Schlögener Schlinge. Wie viel Kraft, wie viele Millionen Jahre hartnäckigen Schleifens mag es wohl gebraucht haben, bis sich der Strom so tief in die Böhmische Granitmasse fraß?
Die Donauleiten, die Talflanken liegen vor mir wie steile Ränge, über 200 Meter hoch, vollbesetzt mit grünem Publikum aus Hainbuche, Ulme, Ahorn, Eiche, Esche, Linde. Auf den oberen Plätzen macht sich die Rotbuche breit, an felsigen Stellen steht die Traubeneiche. In solchen Blockmeeren finden die ungiftige Äskulapnatter und die grün-gelbe Smaragdeidechse gute Verstecke. Unten betreten Flusskreuzfahrtschiffe und Frachter ebenso das nasse, blaue Parkett wie Motorboote und Zillen. Sie kurven um die beiden Landzungen der S-Kurve, ohne ihrem Ziel wesentlich näher zu kommen.
Die Donausteigrunde CICONIA-Rundweg Haibach führt vom Rastplatz am Schlögener Blick zu weiteren Aussichtspunkten wie Kleinem und Großem Steiner Felsen.
Beate Wand
Facettenreiche Wandererlebnisse
Der Schlögener Blick lässt sich in drei Varianten erwandern. Alle beginnen hinter der „Loge“, der Terrasse des Riverresorts Donauschlinge: ganz kurz in einer Stunde als Auf- und Abstieg von knapp drei Kilometern, mittellang auf dem vierstündigen CICONIA-Rundweg, der dem Hang Richtung Inzell folgt und weitere Ausblicke auf die Schlinge offenbart sowie auf dem Weitwanderweg Donausteig. Er verbindet Passau über Linz mit St. Nikola kurz hinter Grein. Nord- und Südroute des Weitwanderwegs legen an beiden Ufern insgesamt 450 Kilometer zurück.
Wegen der schönen Ausblicke verlaufen sie oft auf dem Höhenrücken und verteilen sich über 23 Etappen. Die vierte am Südufer erreicht nach 180 Höhenmetern die Aussichtsplattform. Die Donauregion liegt niedriger und hat ein wintermilderes Klima als die Alpen. So sind die Wanderwege dort nicht nur beim Anstieg gemäßigter, sondern auch länger wanderbar als in den Alpen. 49 Donausteig-Runden verknüpfen Abschnitte des nicht-alpinen Fernwanderwegs mit den Wegen der Anrainer-Gemeinden zu Tages-Rundkursen. Sie dringen in die Nebentäler der Donauschlucht vor, wie das österreichische Obere Donautal auch genannt wird. Dies ist nicht nur im Bereich der Schlögener Schlinge spannend, sondern auch donauabwärts, bei Grein im Strudengau. An Untiefen und Felsriffen wirbelten Strudel, als die Donau noch toste und brauste. Seit Kraftwerke den Fluss stauen und zähmen, erinnert nur noch der Name der Region daran, dass hier – nach der Schlögener Schlinge – einer der gefährlichsten Abschnitte auf die Schiffer lauerte. Waren die Strudelstellen heil überstanden, so dankte man in der Kirche Sankt Nikola dem Schutzpatron der Schiffsleute.
In Oberösterreichs erstem Wanderdorf Bad Kreuzen eröffnet die Herzklopfenrunde bei Burg Kreuzen den Blick über grüne Mühlviertler Hügel bis zur Alpenkette
Beate WandWeil das Hügelland zur Donau steil abfällt, haben sich die Bäche tief eingeschnitten. Viele Mühlen nutzten das Gefälle, etwa die Gießenbachmühle am Eingang zur Stillensteinklamm. Am alten Mühlrad vorbei dringt der Donausteig tiefer in die Klamm vor. Holzstege zwängen sich an Felswände, das Wasser spritzt über Blöcke, bis es am „Stillen Stein“ verschwindet und unter riesigen Brocken seinen Weg sucht. Auch in der Wolfsschlucht bei Bad Kreuzen schluckt der Untergrund phasenweise den Bach. Steckt man den Kopf zwischen die Felsen, hört man ihn murmeln. Auch die Herzklopfen-Runde führt durch die Wolfsschlucht und lässt jedes Wanderherz höherschlagen. Auf dieser Route entdeckt man die schönsten Platzerl von Bad Kreuzen, das im Mai diesen Jahres als erstes Wanderdorf Oberösterreichs ausgezeichnet wurde. Es ist erfrischend, die Schuhe auszuziehen und über den sehr feinkiesigen Bachgrund zu den Wasserfällen zu treten.
Als Wanderdorf hält Bad Kreuzen Schmankerl für seine Wandergäste bereit. Wie das Steinzeitgrillen am Schurzmühlbach im Stillen Tal. Dort baut Haubenkoch und Grillweltmeister Leo Gradl eine alte Mühle zum Selbstversorger-Paradies um. Alle Steinzeitgrillenden bekommen einen Grillkorb und legen die Steaks auf Gradls Feuerstelle am Bach. Beim kleinen Wasserfall könnte man das Fleisch sogar barfuß im Wasser stehend wenden – schließlich ist Bad Kreuzen Kneippkurort. Hinter der runden, eisernen Grillschale steht Gradls Grillmeister: Ein überdimensionaler Bock. Upgecycelt aus rostigen Ketten, Bewehrungsstahl und anderem Schrott.
In der Wolfsschlucht spült Wasserrauschen die Ohren durch und lädt zum Naturkneippen ein.
Beate WandDie Wesen vom Weserufer
Mehr solch mythologischer Wesen gruppieren sich auf einer Wiese in – der Name könnte treffender nicht sein – Wesenufer, dem nächsten Ort stromaufwärts der Schlögener Schlinge. Beim Aufstieg vom Badestrand zum Kösslbachtal führt der Donauresonanzweg durch den Skulpturenpark von Annemarie und Günther Fahrner, die hier in ihrem Atelier ausdrucksstarke Phantasievögel und stierreitende Steinböcke kreieren. Dabei bleiben die Schrottelemente möglichst unverändert, jedes Teil soll autonom Teil eines größeren Ganzen werden – als Metapher für den Wert der Freiheit in einer konstruktiven Welt.
Der Donauresonanzweg fragt an dieser Stelle, welche Skulptur einen gerade besonders anzieht, der eigenen Stimmung entspricht. Denn die Wanderrunde will nicht einfach dreizehn Kilometer „abreißen“. Sie lädt an je drei Resonanzplätzen zu den Elementen Wasser, Luft, Feuer und Erde ein, um sich selbst bewusster zu werden. Durch Fragen und kleine Übungen wie Balancieren oder gezieltes Atmen. Am besten gelingt das beim Element Luft: Im engen Kößlbachtal sammelt sich die Feuchte, bei jedem Atemzug spürt Manfred Gahleitner, wie ihre Frische – gewürzt mit Waldaromen – den Körper stärkt. Er kennt jeden Wanderweg der Umgebung, doch der Mittersteig, auf dem der Donauresonanzweg am steilen Hang Felsen umkurvt und über bemooste Blockhalden steigt, ist sein Lieblingsweg.
Outdoorgalerie: Zwischen mythologischen Metallplastiken des Ateliers Fahrner schwingt sich die Große Donauresonanzwegrunde vom Donauufer hinauf zum Kösslbachtal.
Beate WandFrüher hat der Standesbeamte auf der Hochzeitswiese am Hotel in Wesenufer getraut. Brautpaare aus allen Bundesländern Österreichs reisen extra an. Gahleitner stand bei der Zeremonie immer mit dem Rücken zur Donau. „Die Köpfe der ganzen Gesellschaft gingen mit, wenn ein schnelles Boot vorbeifuhr“, sagt er, „die wenigsten waren ganz bei der Sache.“ Dass es früher gefährlich war, auf eigene Faust bei reißender Strömung die Schlögener Schlinge mit ihren Untiefen zu passieren, davon erzählt die Ausstellung „Die Zille“ neben dem Hotel Wesenufer. Lange führte keine Straße durch das enge, schwer zugängliche Donautal. Schiffe brachten Waren wie Menschen am bequemsten, schnellsten und billigsten nach Linz, Wien, Budapest.
Das Lieblingsstück von Manfred Gahleitner auf der großen Runde des Donauresonanzwegs: Der Mittersteig.
Beate Wand
Geschichte der Schlögenfahrer
Um sicher durch die Schlögener Schlinge zu kommen, heuerten die Flößer Lotsen an, die Schlögenfahrer oder Nauführer. Damit es nicht störte, wenn sie plötzlich weg mussten, saßen sie in der Kirche in der letzten Reihe. „Sie wussten genau, bei welchem Wasserstand man nicht auflief“, sagt Gerald Witti. Er steht in Freizell, einer Ortschaft schräg gegenüber von Wesenufer, in seiner Bootshalle. Es riecht nach frischem Holz. Die Zille vor ihm, ein länglicher, flacher, formschön gebogener Kahn aus verleimten Dreischicht-Fichtenplatten, versteift mit Lärchenspanten, wartet auf den Feinschliff.
„Viele Menschen in der damaligen Zeit waren Nichtschwimmer, deshalb führte man Zillen als Rettungsboote mit“, sagt der Bootsbaumeister. Sein Uropa lotste durch die Schlinge und verkaufte Zillen, die er im Winter gebaut hatte. Wittis Opa schiebt bis heute den Rollator zur Werkstatt, Vater Anton hilft jeden Tag und seine Mutter näht die Abdeckungen – passend zur individuellen Zille. Jedes Boot ist ein Einzelstück, nur die Feuerwehrzillen baut Witti nach Standardmaß. Im kleinen Hafen vor der Werft reihen sich Zillen. Kleine mit 5-PS-Motor dürfen auch Laien ohne Bootsführerschein steuern, Witti verleiht sie. Eine überdachte mit Tisch hat er extra für Ausflüge der Schiffleute vom oberen Donautal gebaut. Er steuert sie auf den Fluss, biegt links zur Schlögener Schlinge - auch von unten sehenswert!
Einer der letzten beiden: Gerald Witti führt in Freizell die Familientradition fort und baut Zillen nach individuellen Wünschen – für die Feuerwehr, für Privatleute und für Ausflüge auf der Donau.
Beate Wand
Die traditionellen Zillenboote
Beate WandEntdecken
Die Schlögener Schlinge
Dass Römerskulpturen auf dem Anleger Schlögen und beim Schlögener Blick in der Sonne glänzen, erinnert daran, dass die Römer hier vor 1.800 Jahren mit einem Kleinkastell den Donaulimes (UNESCO-Welterbe) sicherten, im Vicus auf dem jetzigen Campingplatz lebten und davor im freigelegten, zu besichtigenden Balneum badeten. Heute liegt der beste Ausguck auf der Terrasse des Riverresorts Donauschlinge, das die Querfähre Au-Schlögen betreibt. Die Längsfähre Donaubus fährt von Au nach Grafenau durch die Schlögener Schlinge. Mit ihr wird der teils seilgesicherte Naturlehrpfad am anderen Ufer zur Rundwanderung, die Querfähre verlängert den CICONIA-Rundweg um einen Abstecher hinauf zur Aussichtsplattform der Ruine Haichenbach. Sie thront auf dem Höhenrücken über der Schlögener Schlinge. Der Weg Donaugalerie verbindet die Ruine mit Schloss Marsbach und dem Zillenhafen in Freizell.
Genießen
Idyllisches Wesenufer
Ruhig, da unterhalb der Straße, träumt Wesenufer am Wasser vor sich hin. Mit der Donau schwappt entspannte Atmosphäre zwischen die Mauern und überträgt sich auf die Menschen. Nach dem Donauresonanzweg schmecken Palatschinken mit Aprikosenfüllung auf der Ufer-Terrasse des „Wesenufer Hotel und Seminarkultur an der Donau“, bevor nebenan die Ausstellung „Die Zille“ die Tradition der Schiffer vom Oberen Donautal näherbringt. Wer sich selbst
als Zillenkapitän versuchen möchte, leiht eine bei einem der letzten beiden Zillenbauer an der Donau.
Donaufisch genießen
Markus Luger vom Gasthof Luger fährt jeden Tag mit der eigenen Fischerzille raus und fischt Donau-Fisch. Auch den Anglern kauft er ihren Fang ab. Sie wissen, wie man die Weißfische der Donau von ihren lästigen Gräten befreit, haben die Technik des Schröpfens verfeinert und servieren die Rückenfilets perfekt gebraten. Ein echter Genießer-Tipp!